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Lisa Reiter

  /  Personal   /  Personal Stories & Texts   /  Das Glück kann man nicht festhalten.

Gestern, als du so neben mir saßt – ich weiß auch nicht warum – konnte ich meine Augen nicht von dir lassen. Es war nicht so, als hätte ich dich angestarrt, oder dich von oben bis unten gemustert. Ich habe dich nicht mit meinen Augen gelöchert. Ich wollte dich nur ansehen. Ansehen.
Still.
Schweigsam.
Ansehen, ohne etwas zu sagen. Ohne ein Wort, einen Laut, ohne irgendetwas, was meine Lippen hätte verlassen können. Ansehen, ich wollte dich nur ansehen, dich nicht mit meinen Augen ausziehen. Mein Blick, ich konnte ihn nicht von dir wegnehmen. Und dir war es nicht unangenehm. Du hast die Augen gespürt. Den scharfsinnig Blick. Du hast gemerkt, dass ich dich nicht loslassen kann. Dass ich auf dich aufpasse. Dich bewache. Und trotzdem – dir war mein Blick nicht unangenehm. Du hast mich auch angesehen.
Lange.
Scharfsinnig.
Schwerelos.

Ein Lächeln fuhr mir über die Lippen und ich musste kurz meine Augen schließen. Du hast mich berührt. Ganz leicht. Hast mir über den Arm gestreichelt und mich irgendwie ganz fest gehalten, auch wenn es nur eine federleichte Berührung war. Und so zaghaft. Ich musste weiterlächeln. Konnte nicht damit aufhören. Konnte meine Mundwinkel nicht nach unten fallen lassen. Ich lächelte einfach nur. Denn ich fühlte mich anders. Irgendwie befreit. So locker. Leicht. Wie auf Wolken gebettet. Schwerelos. Und es zieht mich immer weiter nach oben. Weit hinauf. So weit. Und ich schmunzelnde, weil es sich gut anfühlte. So unendlich gut.

Ich grub meine Füße in mein kühles Bettlaken und senkte meinen Blick. Es fühlt sich alles so leicht an. So locker. So unbeschwert. Denn das Leben ist schön. „Das Leben ist schön!“, schreie ich innerlich laut. Doch vor dir ist es so leise. Denn ich sage es nicht in lauten Worten. Ich sage es still. Innerlich. Ich sage es nur mir und nicht dir. Aber du spürst es. Manchmal gibt es nicht die richtigen Worte, die man ansprechen kann. Auch nicht für das Glück, das man empfindet. Und ich bin glücklich. So wie es jetzt ist. Und das ist nicht oft so. Das war bis jetzt eigentlich nie so. Einfach die Arme ausstrecken, frei sein. Es ist pures Glück, welches mir durch die Venen fährt und doch… – es mischt sich ein Gefühl dazu, ich kann es nicht beschreiben. Aber ich kenne es. Ich kenne es zu gut. Es ist Angst. Leichte Angst, dass dieser Moment nicht anhält, denn das Glück kann man nicht festhalten.

Gestern hast du neben mir gesessen und ich habe dich gemustert. Gemustert, obwohl du unsichtbar bist. Doch dieses Gefühl, dieses Gefühl von purem Glück ist momentan so greifbar, dass ich dich mustern kann. Auch wenn ich dich nicht sehen kann. Aber ich merke, dass du da bist. Dass du neben mir sitzt, dass du mich begleitest und mich festhältst. Ich weiß, ich kann nicht flehen, dass du da bleibst und nicht mehr fortgehst. Und ich weiß, du wirst auch mal kurz weggehen. Abstand halten von mir. Mich traurig sein lassen, weil ich das muss. Weil ich auch erkennen muss, dass das Leben nicht immer ein Wunschkonzert ist. Oder ein Zuckerschlecken. Weil ich erkennen muss, dass ich nicht immer auf einer rosaroten Wolke sitzen kann. Es ist nicht nötig, dass ich meine Augen vor der Wahrheit schließe, denn ich kann sie inzwischen vertragen. In allen Facetten. Auch in den Facetten der Traurigkeit. Aber momentan… – Ja, momentan ist es gut so, wie es ist. Denn auch wenn du unsichtbar bist, irgendwie kann ich dich ja doch sehen. Denn ich sehe, was ich fühle. Ich fühle Glück. Ich fühle dich und so schwer es mir fällt, weiß ich, dass ich dich nicht festhalten. kann. Aber das ist okay. Denn mittlerweile habe ich gelernt: Das was zählt, ist der Moment. Der jetzige Moment.

Ich habe das Gefühl, du kennst mich besser, als ich mich selbst. Du weißt, wann ich klarkomme. Wann ich ohne dich klarkomme. Doch momentan habe ich das Gefühl, dass ich ohne dich nicht klarkommen würde. Und vielleicht hast du dieses Gefühl auch, denn ansonsten wärst du jetzt nicht mehr hier. Glück, ich weiß, ich kann dich nicht festhalten, aber danke, dass du jetzt da bist.

Glück, gestern hast du neben mir gesessen. Wir haben uns angesehen. Lange. So lange. Und irgendwann konnte ich dich nicht mehr ansehen, obwohl ich es wollte. Die Müdigkeit brach über mich hinein. Ich habe mich gezwungen, wach zu bleiben, aber ich konnte nicht mehr stark bleiben. Meine Augen fielen zu. Ich schlief ein. Tief und fest. Meinen Kopf an deinen Schultern angelehnt. Du bist gestern einfach nur so dagesessen. Neben mir. Hast mich weiter angesehen. Mich im Schlaf beobachtet. Und als ich heute aufwachte, saßt du immer noch neben mir. Ich habe das Glück nicht festgehalten. Aber du bist da. Immer noch.

 

Comments

  • 14. August 2017

    Wunderbare Bilder, fand sie schon auf Instagram klasse. Und Deine Texte sprechen mich immer mehr an =)

    Neri, Leselaunen

  • 18. August 2017

    Was für schöner Beitrag und toller Text liebe Lisa. Ich kann total in dich hineinfühlen. Auch mir geht es in Moment ähnlich. Ich bin Glücklich und frei. Dieses Gefühl sollte man schätzen und auch wenn es manchmal etwas schwindet, weiß man nach Regen kommt immer wieder Sonnenschein.

    Liebste Grüße Denise
    http://www.neumodisch.com

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Est. 2012

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