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Lisa Reiter

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Ich muss dann mal alleine sein.

03.01.2019 – an diesem Tag schrieb ich auf Instagram:

Mehr als drei Monate sind seit meinem Umzug vergangen. Ich habe mir ein vollkommen eigenes Leben aufgebaut und jetzt ist es auch an der Zeit, mehr darüber zu sagen. Irgendwie ist mir vor meinem Umzug alles zu viel geworden. Ich habe Dinge erlebt, die mich völlig aus der Bahn geworfen haben und sie doch hinter einem Lächeln versteckt. Wenn du wieder lernen musst, neu zu vertrauen, musst du einen Weg finden, wie du das irgendwann wieder schaffen kannst. Ich wusste, was mir dabei helfen würde: alleine zu sein.

Alleine zu sein bedeutet nicht, einsam zu sein. Alleine sein zu können bedeutet, dass du irgendwann mit dir selbst zurechtkommst. Dass du von niemanden abhängig bist, dass du auch mit dem Verlassen und Verlassenwerden zurechtkommst, dass du dich abgrenzen und eine Weile alleine sein kannst. Ich musste in erster Linie mit mir selbst zurechtkommen. Wieder die Liebe zu mir selbst entdecken und mir meinen Wert für mich selbst zurück erkämpfen. Dazu musste ich weg. In eine andere Stadt. In eine eigene Wohnung. Alleine. Alleine einen Neuanfang wagen, aber immer mit dem Wissen, dass ich auf viel Unterstützung zählen kann. Und es hat sich gelohnt. Es hat mir gut getan. Ich habe in Graz ein wunderbares Umfeld, schon etliche neue Leute kennengelernt und ich blühe gerade auf. Ich bin ständig unterwegs, viel in der Stadt und ich lerne mein neues Zuhause kennen. Gemeinsam und alleine. Ich bin froh, dass ich diese Erfahrung mit dem „alleine leben“ mache, denn genau das hat mir geholfen, mich nicht mehr einsam und verloren zu fühlen.

(c) Instagram: mycafeaulait

Einsam sein

Es sind Worte mit Bedeutung. Worte, die ich mit Bedacht gewählt habe. Worte, über die ich lange nachgedacht habe. Ich wollte damit etwas sagen. Mit Bedacht gewählt sind die Worte deswegen, weil ich nicht wusste, wie ich mich ausdrücken sollte. Persönliche Worte auf Instagram sind oftmals schwierig. Sie werden vielleicht nicht von jedem gelesen, aber diese Worte hier sind nun da, weil ich eine Message hatte. Und diese Message wollte ich nach Außen tragen. Wenn sie auch nur einen Menschen erreichen, einen Menschen, der sie wirklich liest und den ich damit berühren kann, dann habe ich mein Ziel erreicht. Auch in einer oberflächlichen Welt wie Instagram, von der ich ebenso -und das streite ich nicht ab- ein Teil bin.

Manchmal habe ich eben mehr zu sagen, als „hey guys, what’s up bla bla bla.“ Und manchmal reize ich den begrenzten Platz meiner Caption auch aus, um diese Worte in die Welt hinaus zu tragen. Diesmal ging es um das Alleinsein. Um das Alleinsein, das mich von meinem einsam sein befreit hat.

Wenn ich so zurückblicke – vor nicht allzu langer Zeit – da habe ich mich einsam gefühlt. Einsam, obwohl ich tagtäglich mit einer Vielzahl von Menschen in einen sozialen Kontakt stand. Ich saß in der Uni, neben mir meine netten Studienkollegen und ich fühlte mich einsam. Ich spielte mit meinem Neffen, der mir jedes Mal ein Lächeln auf die Lippen zaubert, doch ich fühlte mich einsam. Meine Freunde und ich saßen in der Bar bei schummrigen Licht und Cocktails, doch ich fühlte mich einsam.

Ja, es ist noch gar nicht so lange her, da lernte ich wirklich, was einsam sein bedeutet. Ich lernte die Einsamkeit mit all ihren Facetten kennen, obwohl ich nicht alleine war. Du kannst in den Armen der Person liegen, für die du mehr empfindest und es fühlt sich plötzlich so leer an. Du begegnest im Bus unzähligen neuen Gesichtern, manche verwickeln dich vielleicht in Gespräche, doch es fühlt sich so leer an. Du beginnst damit, wieder mehr zu daten, doch es füllt nicht deine Leere und du verlierst auch kein Wort darüber, weil es dir peinlich ist, dass du nichts mehr fühlen kannst. Du lernst im Coffeeshop einen netten Jus-Studenten kennen, der dir einen Kaffee spendiert, weil er sich „vorgedrängelt“ hat, kommst mit ihm ins Gespräch, aber es fühlt sich trotzdem so leer an. Einsam eben. Da begriff ich. Einsam kann man sich auch fühlen, wenn man nicht alleine ist.

Ein Cut und ein Fehler

Alleine sein und einsam sein, das sind zwei Komponente, die immer wieder als eins gesehen werden, die aber so unterschiedlich sind wie Tag und Nacht. Alleine sein ist nicht gleich einsam sein. Es hat eine andere Bedeutung. Und ich wusste: ich musste von den Gefühlen der Einsamkeit loskommen. Das war mir schon lange bewusst, doch ich wusste nicht, wie ich es schaffen sollte. Wie sollte ich diese Gefühle überhaupt loswerden, wenn ich ständig unter Menschen war und mich trotzdem so verloren fühlte? Es war ein Cut notwendig.

Eigentlich brauchte ich diesen Cut zum ersten Mal nach meiner Diplomprüfung. Zu dieser Zeit war mir alles zu viel. Ich wollte verreisen. Alleine. Ich wusste, dass ich nach all den Monaten der Lernerei für mich sein musste. Dass ich mich abkapseln musste, nachdem ich für meine Diplomarbeit mit unzähligen Menschen zu tun hatte. Dass ich mich abkapseln musste, nachdem ich im Laufe meiner Studienzeit mit einer noch viel größeren Anzahl an Menschen zu tun hatte. Doch dann kam alles anders.

Wie es so ist, wurden meine Pläne durchkreuzt. Ich lernte neue Leute kennen, stürzte mich von einem Abenteuer in das andere, ging auf Events, datete mich, fuhr mit der Familie in den Urlaub – alles Erlebnisse, die sehr schön waren, nur ich selbst blieb auf der Strecke. Es führte dazu, dass ich mich wieder in die Essstörung hievte, dass ich mich erneut Stück für Stück in das Gefühl der Leere hineinmanövrierte. Und das, was mir wahrscheinlich geholfen hätte, meine Leere zu durchbrechen, das Alleinsein, das habe ich nicht mehr beachtet. Ein Fehler.

Alleine sein

Der Cut kam. Ein Jahr später als geplant, aber er kam. Zwar bin ich immer noch nicht alleine verreist oder war für mich alleine in der Natur auf irgendeiner einsamen Berghütte (was ich nach meiner Diplomprüfung eigentlich tun wollte), aber ich habe den Cut gewagt. Der Cut ist derjenige, dass ich nun mit niemanden eine Beziehung führe, außer mit mir selbst. Ich bin in eine eigene Wohnung gezogen. Alleine. Weil ich das brauchte. Und Gott sei Dank habe ich das getan. Stück für Stück finde ich nun wieder zu mir selbst. Ich lerne, alleine mit meinen Ängsten umzugehen. So bin ich nicht mehr von irgendjemanden abhängig. Ich lerne, das Erwachsenenleben alleine zu managen. Ohne toxische Menschen in meiner Umgebung, von denen ich mich viel zu lange abhängig gemacht habe. Und dieses Alleinsein fühlt sich alles andere als einsam an.

Ich bin nicht zu einem Eigenbrötler mutiert, treffe mich nach wie vor mit meinen wichtigsten Freunden und habe auch nach wie vor mit vielen Menschen zu tun, doch es fühlt sich nicht mehr leer an. Es fühlt sich befreiend an. Ob es daran liegt, dass ich mich im Laufe der letzten Monate von toxischen Menschen entfernt habe? Kann gut sein, doch erst der Umzug in eine neue Stadt war sozusagen die Befreiung, auch wenn sie noch nicht ganz vollzogen ist. Aber das kommt noch. Und es wird auch noch kommen, dass ich wieder lerne, anderen Menschen zu vertrauen. Dass ich andere Menschen wieder in mein Leben lasse. Bis ich soweit bin, führe ich die Beziehung mit mir selbst gerne weiter. Alleine. Und das fühlt sich großartig an.

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Est. 2012

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