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I'm coming home

I’m coming home, I’m coming home, tell the world I’m coming home. Schon den ganzen Tag hatte ich diesen Song im Ohr, während ich das Chaos in meiner Wohnung beseitigte. Endlich sollte es nach Hause gehen! Endlich. Nach mehr als sieben Wochen soziale Isolation und Quarantäne. All diese Wochen befand ich mich alleine in meiner 50 m2 Wohnung. Meine einzigen physischen sozialen Kontakte beschränkten sich auf kurze Worte, die ich mit der Supermarktkassiererin wechselte. „Danke. Einen schönen Tag noch. Auf Wiedersehen!“ Ansonsten blieben FaceTime, Whereby und Instagram Livestreams. Anfangs dachte ich, ich würde stark bleiben. So lange in meiner Wohnung verweilen, bis die Regierung das Go für Familienbesuche gibt. Ja, ich gehöre auch zu den Menschen, die bei einer #stayathome Initiative mitgemacht hat. Schilder in die Kamera hielt. Und dahinter stehe ich heute noch. Nur bin ich trotzdem nach Hause gefahren. Während den Ausgangsbeschränkungen. 

I'm coming home
I'm coming home

Endlich Zuhause!

Zu Beginn kam ich mit der Ausgangsbeschränkung gut klar. Schnell merkte ich jedoch, dass es eine wahnsinnige Herausforderung für meine Essstörung ist. Es dauerte nicht lange, bis mich die ersten Ängste eines Rückfalles übermannten. Ich habe jeden erdenklichen Weg versucht, um nicht wieder in die Magersucht reinzurutschen. Psychologische Gespräche, Instagram Livestreams, in welchen wir gemeinsam gekocht haben, Meditation, Yoga… Ich gelangte an einen Punkt, an dem gar nichts mehr half. Ich verlor meinen Antrieb. Meine Motivation. Kämpfte mich Tag für Tag durchs Home Office und scheiterte oftmals. Meine Mahlzeiten wurden weniger. Sowohl von der Frequenz, als auch von der Menge. Bis ich irgendwann von einem Wocheneinkauf zwei Wochen lang lebte und immer noch Lebensmittel im Kühlschrank hatte. Baustellenlärm kam hinzu. Eine Geräuschkulisse aus Presslufthammer- und Baggerlärm. Kurzum: ich hielt es nicht mehr aus! Das bewog mich auch zur Entscheidung, den Weg nach Hause anzutreten. 

All die oben aufgezählten Argumente nutze ich jetzt nicht als Rechtfertigungsgrund. Trotzdem machte ich mir meine Gedanken, wie diese Entscheidung aufgenommen werden würde, bis es mir irgendwann egal wurde. Ich habe meine Situation reflektiert und erkannte schnell: es wird immer Leute geben, die deine Handlungen nicht verstehen und sie vielleicht sogar verurteilen. Aber es lässt sich leichter ein Urteil fällen, wenn man nicht sieben Wochen alleine ist und zumindest seinen Partner sehen kann. Wenn man Vogelgezwitscher hört, statt Baustellenlärm. Wenn man auf der eigenen Wiese liegen kann, die Natur vor der Haustür hat, anstatt in überfüllte Parks gehen zu müssen, um ein bisschen grün zu haben. Ich weiß, ich habe mich für das Leben in der Stadt entschieden, aber ich habe mich nicht dafür entschieden, wochenlang in der Stadt eingesperrt zu sein. Zum Glück konnten das so viele Menschen verstehen. Auf Instagram erreichten mich beinahe 100 Nachrichten mit lieben Worten. 

Die letzten Wochen haben immer wieder zu einer Frage geführt, die ich mir beinahe tagtäglich stellte: „Ist meine Gesundheit weniger wert, als die der anderen?“ Jetzt, wo ich nun schon zwei Tage zu Hause bin, wird mir immer mehr klar. Nein, das ist sie nicht. Nur weil wir aktuell von der Corona Krise umgeben sind, heißt das nicht, dass andere Krankheiten weniger ernst zu nehmen sind. Dass Psychohygiene weiterhin wichtig ist. Ich war sieben Wochen lang komplett alleine. Nur ich und sonst niemand. Auf Dauer konnte das nicht gut gehen. 

I'm coming home
I'm coming home

Ich habe meine Recovery wieder aufgenommen

Vor zwei Jahren habe ich mit meiner Anorexie Recovery begonnen. Sie war erfolgreich und das soll sie weiterhin bleiben. Für mich ist das nun kein neuer Recoveryversuch. Die Zeit alleine hat mich ein paar Schritte zurückgeworfen, aber ich fange nicht bei null an. Vielmehr sehe ich mich in der Mitte. Akzeptanz war das ein ganz wesentlicher Punkt. Ich stehe nicht an der Stelle, als ich meine Recovery erfolgreich „abgeschlossen“ habe, aber ich stehe auch nicht am Anfang. Jetzt ist es Zeit, in der Mitte weiterzumachen. Die Zeit in der Krise, die Zeit in der sozialen Isolation waren die größte Hürde. In dieser Zeit konnte ich sehen, wie erfolgreich meine Recovery wirklich ist und wie gut ich ohne meine Freunde und Familie zurechtkomme. Ich versuche immer, die positiven Aspekte herauszufischen. Es ist mir lange gelungen, aber irgendwann eben nicht mehr. Dennoch glaube ich nicht, dass das einer erfolglosen Recovery geschuldet ist. Vielmehr bin ich überzeugt davon, dass zu dieser Zeit jeder Mensch an seine/ihre Grenzen geht und das niemand auf Dauer komplett alleine ausgehalten hätte. 

Allerdings -und das ist für mich durchaus etwas positives- hat mir die Zeit ebenso gezeigt, dass es viele verschiedene Baustellen gibt, an denen ich während meiner Recovery zu wenig gearbeitet habe und die ich danach auch viel zu wenig beachtet habe, denn es ging mir ja gut. Von diesen Baustellen wurde ich eingeholt. Trotzdem: jetzt kann ich daran arbeiten und mich in der fortgesetzten Recovery besonders darauf fokussieren. Und das ist es für mich. Es ist kein Recovery Versuch Nummer (ich glaube wir sind bei) 6, sondern einfach die Fortsetzung von meiner letzten Recovery. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, es klappt jetzt daheim alles auf Anhieb, aber ich muss wieder reinfinden und in mich reinhorchen. Es langsam angehen lassen. Ohne Stress und eine Akzeptanz für Tage finden, die nicht so gut sind. Denn die wird es auch hier geben. Aber ich könnte nun nicht glücklicher sein, als hier bei meiner Familie und der tagtäglichen Unterstützung. 

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Est. 2012

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