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My Café Au Lait

  /  Personal   /  Personal Stories & Texts   /  Stadt oder Land: wo ist mein Kraftort?

In meinem Bauch kribbelt es. Ein Traum, den ich mir schon so lange in meinem Kopf ausgemalt habe, wird wahr. Ich spüre die Aufregung in mir, die sich in mir ausbreitet und merke, dass ich immer ungeduldiger werde. Am liebsten würde ich meine sieben Sachen schon jetzt einpacken und diesen neuen Lebensabschnitt, der mich erwartet, beginnen. Ich zähle die Tage. Die Stunden. Die Sekunden. Mache mir Gedanken, wie ich mein neues Nest einrichten werde. Wann werde ich wohl die Wohnungsschlüssel bekommen? Wie wird es sein? Die erste eigene Wohnung. Eine neue Stadt. Die Stadt, in der ich immer leben wollte.

Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich dieses Gefühl wahrgenommen habe. Wie aufgeregt ich war, wenn ich an mein neues Leben in einer anderen Stadt nachdachte. Gut, Graz ist von meiner Heimatstadt nur 30 km entfernt und irgendwie hat es sich nie wirklich wie eine Distanz zu meiner Heimatstadt angefühlt, andererseits fühlte es sich doch so weit weg an. So weit weg von meinem alten Leben. Von all den Erinnerungen, die ich in den 26 Jahren in meiner Heimatstadt gesammelt habe. So weit weg von der alten Lisa. Von der Studentin, die ich noch vor wenigen Monaten war und nun würde ich in das Berufsleben einsteigen. So richtig. Nicht mehr nur mein eigener Boss sein, sondern eine neue Verpflichtung beginnen. 

Aufregend! Spannend! Wild! Genauso malte ich mir mein Leben in der Stadt aus. Ich wurde am Land groß. In meiner Jugend habe ich mich in meinem „Kaff“ gelangweilt, träumte immer schon von der großen Stadt. Auch wenn Graz gar nicht so groß ist. Zumindest wirkt es nicht groß. Aber für ein Landei wie mich war es das. Ich träumte von neuen Erfahrungen, Erlebnissen und wusste gleichzeitig, dass ich mir wahrscheinlich zu viel erwartete. Ich versuchte, meine Erwartungen zurückzuschrauben und doch ertappte ich mich immer wieder dabei, wie ich in meinen hohen Erwartungen schwelgte.  

Dass sich nicht alle Erwartungen erfüllen werden, war mir von Anfang an klar. So war es auch. Womit ich jedoch nicht gerechnet habe: dass ich öfters Heimweh nach dem Land haben würde, als ich es je für möglich gehalten habe. 

Land
Land

Nicht ganz Landmädchen! Nicht ganz Stadtmädchen!

Und jetzt, wenn mich jemand fragen würde, ob ich eher ein Stadt- oder Landmensch bin, könnte ich die Frage nicht eindeutig beantworten. Trotzdem weiß ich: das Dorfkind wird man wohl nie aus mir herausbekommen. Nicht einmal die größte und futuristische Metropole würde das je ändern können. Und ich merke immer mehr, wie sehr ich mich nach Rückzug sehne. Nach Vogelgezwitscher. Und dass mich der Stadtlärm öfters aus der Ruhe bringt, als gedacht. 

Als ich noch in Graz studiert habe, blendete ich all das aus. Den Lärm. Die vielen Autos. Das wenige Grün. Und trotzdem ist das Bauchkribbeln immer noch da, wenn ich durch „mein“ Graz schlendere. Ich genieße all die Vorzüge, die eine Stadt zu bieten hat. Die räumliche Nähe zu meinen Freunden. Die spontanen Coffee Dates. Eine große Auswahl an Nightlife Aktivitäten (wenn es auch momentan sehr beschränkt ist). Und all diese Annehmlichkeiten möchte ich nicht missen. Ich habe mich gut in Graz eingelebt. Mich an die Stadt gewöhnt, sie noch mehr lieben und schätzen gelernt. Ich will noch bleiben. Auch wenn für mich klar ist, dass ich nicht mein ganzes Leben hier (zumindest wohnhaft) verbringen möchte. 

Land
Land

Mein Kraftort bleibt das Land

Eine Sache habe ich jedoch gelernt: die Stadt ist nicht mein Kraftort und ich habe einfach viel zu wenig Zeit für Heimatbesuche oder Wanderungen hergegeben. Wirklich Energie sammle ich nur dort, wo es ruhig ist. Wo noch unberührte Natur zu finden ist. Egal, ob das nun der Wald ist, der Strand, der See oder die Wüste. Die Stadt ist dazu da, um mein Leben aufregend zu gestalten. Und es ist leicht, sich in diesen Puls der Stadt hineinziehen zu lassen. Die Spannung, der Reiz, das ist die Stadt. Doch die Ruhe und die Kraft, das ist die Natur. 

Von dieser Spannung, dem Reiz der Stadt – davon habe ich noch nicht genug. Ich fühle mich immer noch jung genug, um ein aufregendes Leben in der Stadt zu verbringen. Diesmal jedoch mit einer gelernten Lektion: mehr Natur, mehr Dorf, mehr Ruhe in mein Leben zu lassen. Öfters Heimatbesuche anzutreten. Häufiger Wanderungen zu unternehmen. Kraft zu tanken – für die Stadt. Und die Aufregung der Stadt genießen, bis ich bereit bin, wieder aufs Land zu ziehen. 

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Est. 2012

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