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Lisa Reiter

  /  Personal   /  Anorexia Recovery   /  The smile in the mirror & no one cares

„Du bist schon wieder so dünn geworden. Isst du eh noch?“
„Ja klar, es war nur der Stress in den letzten Wochen. Diplomarbeit, Diplomprüfung…“
„Ja, aber du isst schon?“
„In den letzten Wochen habe ich mich nur von Pizza ernährt. Massig. Oh und Süßigkeiten.“
Ein skeptischer Blick durchfährt mich. Mustert mich von oben bis unten. Unbehagen breitet sich in mir aus. Ich fühle mich beobachtet. Auch wenn der gegenüber direkt vor mir steht.
„Aber gerade fühle ich mich so wohl. Ich glaube, ich war noch nie so zufrieden mit mir selbst. Und das ist…“
Und wieder darf ich nicht ausreden. Wieder wird mir das Wort entrissen. Wie schon so oft in letzter Zeit. Es nervt!
„Ja, aber du musst aufpassen. Du weißt eh, was du schon alles durchgemacht hast.“
„Ich weiß, aber ich will jetzt so bleiben, wie ich bin, weil…“
Und wieder werde ich unterbrochen. Schon wieder.

So oder so ähnlich sahen die Konversationen in den letzten Tagen aus. Ich habe abgenommen. Einiges sogar. Die letzten Wochen und Monate waren die stressigsten in meinem ganzen Leben. Diplomarbeit. Nervenflattern. Diplomprüfung. Uniabschluss. Das sind alles Dinge, die sich so lange hingezogen haben, aber dann doch so plötzlich gekommen sind. Vor lauter Aufregung habe ich nur noch ungesunden Fraß in mich hineingestopft. Saß abends nach dem Schreiben oder der Lernerei mit einer Packung Ben & Jerry’s vor dem Glotzkasten und hab alles in mich hineingeschaufelt, bis die Packung leer war. 500 ml Eiscreme in 15 Minuten. Wenn überhaupt! Ich weiß selbst nicht, wie ich in dieser Zeit so viel abnehmen konnte. Aber diese Nervosität, der ganze Druck, der Stress – diese Attribute haben ihren Beitrag dazu geleistet. Doch die Wahrheit ist: Ich fühle mich endlich wohl, so wie ich bin. Ich habe meinen Körper akzeptiert, so wie er jetzt ist. Der Blick in den Spiegel ist schön, mit einem Lächeln, weil ich mich endlich annehmen kann. Und trotzdem: keinem interessiert es! 

 

The smile in the mirror & no one cares

 

Anorexie – eine Brandmarke fürs Leben

Die letzten Wochen hatte ich meine Ernährung nicht unter Kontrolle. Was ich jedoch mit gutem Gewissen behaupten kann: Ich habe gegessen. Jeden Tag. Alles Lebensmittel, die ich mir früher in meiner Anorexie verboten habe. Okay, die letzten drei Tage vor meiner Diplomprüfung waren dürftig, das gebe ich zu. Aber vor lauter Nervosität brachte ich nichts runter. Das erste, was ich nach meiner Diplomprüfung machen wollte, war etwas essen. Und das tue ich immer noch. Jeden Tag. Auch wenn ich immer wieder skeptische Blicke ernte. Auch wenn mir jeder reinredet, mir nicht zuhört. Es scheint keinem zu interessieren, dass ich momentan glücklich bin und endlich gelernt habe, mich selbst zu akzeptieren. Weil ich jetzt dünner geworden bin und früher an Magersucht litt. Das ist der ganze Grund.

Ich habe das Gefühl, dass ich mich für die Zahl auf der Waage immer rechtfertigen muss. Ständig. Wenn ich nur einen Gramm zunehme, vor mir selbst, wenn ich nur einen Gramm abnehme, vor anderen. Vor Freunden, Familie, sogar vor Bekannten:
„Herzlichen Glückwunsch zu deinem Uniabschluss, Lisa. Deine Mutter hat mir davon erzählt.“
„Danke.“
Ich lächle. Freue mich, endlich mal nicht diese Worte zu hören. Endlich spricht mich mal keiner auf mein Gewicht an. Doch dann:
„Dünn bist du geworden. War das beabsichtigt?“
Nicht schon wieder. Innerlich schlage ich meine Hände über den Kopf zusammen. Doch ich rechtfertige mich. Schon wieder. Wie immer. Es nervt!

Sie meinen es ja nur gut, ich weiß. Und ich nehme es keinem übel. Aber es fühlt sich so an, als würde das Wort „Anorektiker“ permanent auf meiner Stirn prangen. Tief eingebrannt mit schwarzer Tinte und egal was ich mache, ich kann dieses Label nicht von meiner Stirn waschen. Und das tut weh. Weil ich schon wieder nur auf eine Zahl reduziert werde.

 

 

Hört mir doch einfach einmal zu…

Das, was mich am meisten gestört hat, war einfach, dass mir keiner zugehört hat. Ich habe ständig gesagt, dass ich momentan zufrieden bin. Dass ich lerne, mich so anzunehmen, wie ich bin. Mein Gewicht ist immer noch im normalen Bereich, nur halt keine 21 mehr auf meiner BMI Skala. Na und? Ich bin gesund, komme mit dem Essen gut klar, nur will einfach so bleiben, wie ich jetzt bin. Ich gefalle mir ein bisschen schlanker besser, als etwas pummeliger. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich wieder anorektisch bin oder wieder zurück in diese Krankheit will.

Anorexie – ich will diese Krankheit nicht mehr haben. Damals bin ich durch die Hölle gegangen und an jeden einzelnen Moment kann ich mich noch ganz genau erinnern. Ich weiß, welche Schmerzen ich damals gelitten habe, der unangenehme Hunger, die verheulten Nachmittage in meinem abgedunkelten Zimmer. Meine Launen, die reduzierte Lebensqualität, der Verlust der Freude. Ich weiß ganz genau, wie das ist und ich möchte nicht mehr zurück. Aber ich möchte auch nicht mehr zurück zu dem „Ich“, wo ich meinen Körper hasste. Ich will niemanden einen Gefallen tun müssen. Und dieser Gefallen äußert sich für mich in einer Gewichtszunahme. Es ist mir egal, wenn andere sagen, dass ich ihnen besser gefalle, wenn ich ein paar Kilos mehr auf den Rippen habe. Soll ich es für andere tun und mich dafür wieder hassen? NEIN!

 

The smile in the mirror & no one cares

 

Let me smile again

Natürlich will ich nicht, dass sich andere Sorgen um mich machen müssen. Schon gar nicht meine Freunde und Familie. Aber mir geht es gut. Ich weiß, dass ich gerade jetzt an einer Grenze stehe, wo ich aufpassen muss, damit es nicht wieder von vorne losgeht. Weiter abnehmen ist tabu für mich und das möchte ich ehrlich gesagt auch nicht. Wenn ich mir die Fotos von meiner schlimmsten Anorexiephase ansehe, wird mir immer deutlich vor Augen geführt, dass ich so NICHT mehr aussehen will. Und davor trennen mich noch etliche Kilos.

Ich kann auf mich aufpassen. Und ich genieße das Essen mehr denn je. Ich achte zwar nun vermehrt auf meine Ernährung, mache auch wieder Sport, aber gehe genauso gerne essen und wenn nichts anderes offen hat, dann halt zu McDonalds. Wäre ich anorektisch, hätte ich damit Probleme. Aber die habe ich nicht. Das einzige, was ich will, ist lediglich, dass ich mir endlich diese Brandmarke von meiner Stirn abwaschen kann. Und ich will mich nicht mehr rechtfertigen müssen, will nicht mehr beobachtete werden. Ich will diese mahnende Blicke nicht mehr sehen. Lasst mich endlich dieses „Anorektiker“ von meiner Stirn löschen und freut euch mit mir, dass ich endlich mehr zu mir selbst gefunden habe. Please let me smile again – nicht nur dann, wenn ich in den Spiegel schaue, weil ich mich selbst so annehmen kann, wie ich bin, sondern weil ihr euch auch für mich freut, dass es endlich so ist.

 

The smile in the mirror & no one caresThe smile in the mirror & no one cares

The smile in the mirror & no one cares

Outfit Details: Blouse*: ROMWE | Pants: Bik Bok | Shoes: Converse

 

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…und ich glaube, diese neu gewonnene Lebensfreude, sieht man auch auf meinen Bildern, welche die liebe Katy von La Katy Fox von mir neulich gemacht hat.

*PR Sample

 

Comments

  • 28. Juli 2017

    Wow! Danke für deinen persönlichen Beitrag. Ich wusste nicht, dass du diese Krankheit hattest. Ich versteh dann aber auch die Sorge von deiner Familie und deinen Freunden, wenn sie gewusst haben, dass du krank warst. Die haben einfach Angst, dass du da wieder reinschlitterst.
    Ich kann aber auch verstehen, dass dich das nervt, wenn du eh isst, dass du immer wieder darauf angesprochen wirst.

    Ich kann dir nur sagen, dass du die perfekte Figur hast und einfach wunderschön aussiehst.
    Die Bluse gefällt mir wahnsinnig gut und die Fotos sind soo schön geworden.

    Bussi
    Tamara
    http://carrieslifestyle.com

  • 30. Juli 2017

    Hey du….Frau Mag.
    Hm kann mir gut vorstellen wie das nervt…aber das ist nun mal so wenn man sich mit einem Problem outet…die Leut san ständig besorgt…Ich weiß net was ich sonst dazu sagen soll. Find ja dass du derzeit echt gut aussiehst. Ich mags dünner 😀 Wärs gern selber wieder…und wennst schreibst, dir geht´s gut, dann glaub ichs dir…Bussal
    Nicole
    http://www.grazermadl.at

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Est. 2012

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