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Lisa Reiter

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Orsay

„Das weltweite Phänomen erlebt seinen Höhepunkt“ – so ähnlich wurde der Filmrelease des finalen Teiles von Fifty Shades of Grey beworben. Der sanfte Sadomasoaufreger ging in die alles entscheidende Runde. Zum letzten Mal konnten wir die zugegeben etwas fragwürdige Liebesgeschichte des Selfmade-Milliardärs und BDSM-Anhängers Christian Grey und seiner Anastasia auf der Kinoleinwand verfolgen. Da ich die letzten beiden Teile gesehen hatte, war es natürlich ein Muss im Zuge eines Mädelsabends ins Kino zu tingeln, um eine etwas anspruchslose Handlung mit diversen Sexszenen über mich ergehen zu lassen. Trotz seiner leeren Handlung mag ich die Filme. Sie erfordern keine großartige Aufmerksamkeit. Gerade, wenn man sein Hirn nicht ganz eingeschaltet hat, ist es immer einfach die Handlung zu verfolgen. Selbst wenn die Geschichte alles andere als oscarreif ist, so brachte mich der Film ins Grübeln.

Im Laufe der drei Teile konnte man beobachten, wie sich die beiden Hauptcharaktere verändern. Ana, das einstige Unschuldslamm ist zu einer Frau mutiert, die sich im finalen Teil nun nach anfänglicher Geziertheit hingebungsvoll den etwas gewöhnungsbedürftigen Vorlieben ihres Liebhabers, Pardon Ehemanns, hingibt. Sie lässt nun alles mit sich machen, wovor sie sich im ersten Teil gesträubt hat. Dinge, die ihr Angst bescherten. Dinge, die sie in ein Unbehagen stürzten. Die Angst vor dem Unbekannten. Aber auch die Angst, Erfahrungen zu machen, die nicht zu ihr passen. Die Angst, viele Grenzen zu überschreiten. Ihre persönlichen Grenzen.

 

free will

 

Über Grenzen gehen

…ohne seinen freien Willen aufzugeben

Grenzen zu überschreiten, muss nichts schlechtes sein. Sex ist eine Entdeckungsreise, die nie zu Ende geht. Manchmal muss man sich auf die Dinge einlassen, es zulassen, sich fallen lassen und vielleicht sogar Prinzipien über Board werfen – aber nur, wenn man es auch wirklich will und man bereit dazu ist. Grenzen zu überschreiten ist manchmal notwendig, um sich selbst und seine eigenen Vorlieben kennenzulernen. Oder auch dann, um zu hundert Prozent herauszufinden, womit man überhaupt nicht klarkommt. Doch über seine eigenen Grenzen gehen sollte man auch nur dann, wenn man es wirklich will und bereit dazu ist. Nicht, weil man das Gefühl hat, man müsste seinem (Sexual)-Partner einen Gefallen tun.

Einen Gefallen tun. Hand aufs Herz. Wie viele Frauen und vor allem junge Mädels lassen sich zu Praktiken und Handlungen überreden, mit denen sie sich nicht wohl fühlen, nur weil sie Angst davor haben, ihren Partner zu verlieren? Das führt mich wieder zurück zu Fifty Shades of Grey. Wollte Ana diese Spielchen wirklich spielen oder tat sie es nur, weil sie ihrem Christian mit Haut und Haaren verfallen war? Weil sie wusste, dass sie ihn nur damit glücklich machen konnte. Sie ihm nur damit die vollendete Befriedigung schenken konnte. Sexueller Frust ist Gift für jede Beziehung. Jede/r will auf ihre/seine Kosten kommen. Doch das bedeutet auch, dass man dazu bereit sein muss, Kompromisse einzugehen. Kompromisse frei nach dem Motto: Selbst entscheiden dürfen, akzeptieren, nicht zwingen, aber auch probieren und Dinge zulassen. Die Angst existiert ja meistens im Kopf – sagt auch Mr. Grey.

 

I think I hold onto my free will a lil while longer

Diesen Satz spricht Ana im ersten Teil der BDSM-Triologie aus. „Nein Danke, ich denke, ich behalten meinen freien Willen noch für eine Weile.“ Und das ist genau dieser Satz, der sie verraten hat. Der gezeigt hat, dass sie ES später mit sich machen lässt. Nicht, weil sie es will. Sondern weil er es will. Weil er derjenige ist, der dadurch seine sexuellen Höhepunkte erlebt und nicht sie.

Ich weiß, es ist nur ein Film. Ein Film, der einen großen Interpretationsfreiraum lässt. Es kann durchaus vorkommen, dass man Vorlieben für sich entdeckt, wovon man am Anfang überhaupt nicht überzeugt war. Auch ich habe schon viel über mich gelernt. Weil ich dazu bereit war, über meine eigenen Grenzen hinauszugehen. Freiwillig. Genauso habe ich mich aber auch überreden lassen. Nämlich zu dem Zeitpunkt, als ich in sexueller Hinsicht noch wenig Erfahrungen gesammelt hatte. Genau das hat auch dazu geführt, dass ich für sehr lange Zeit verschlossen war. Über meine eigenen Grenzen zu gehen, war für mich ein Ding der Unmöglichkeit. 

Es hat lange gedauert, bis ich diese Enttäuschungen und schlechten Erfahrungen verdaut habe. Lange Zeit fiel es mir schwer, meine eigenen sexuellen Vorlieben zu entdecken. Ich traute mich auch nicht, über meine Komfortzone hinauszugehen, weil ich mich einst überreden lassen habe. Weil ich meinen freien Willen aufgegeben habe, nur um jemanden einen Gefallen zu tun, der es überhaupt nicht wert war.

Diese Hintergrundgeschichte hat mein Sexualleben lange Zeit stark geprägt. Es war eine Zeit voller Naivität. Eine Zeit, in der ich offensichtliche Anzeichen noch nicht deuten konnte. Ich merkte nicht, wann es nur um Sex ging und wann echte Gefühle dahinter steckten. In dieser Zeit hatte ich noch nicht das realistische Denken, das ich heute habe. Damals gehörten Sex, Beziehung und Liebe für mich automatisch zusammen. Das ist heute per se nicht mehr der Fall. Ich bin in einem Zeitalter angekommen, in dem Sex ohne Beziehung für mich genauso okay ist, wie Sex in einer Beziehung.

 

Du entscheidest für dich, nicht dein Partner!

Die Führung aus der Hand zu geben, kann zu prickelnden Erfahrungen führen. Doch keiner hat das Recht Entscheidungen für dich zu treffen, mit denen du nicht klarkommst. Niemand muss im Schlafzimmer oder wo auch immer Dinge mit sich machen lassen, die man nicht möchte. Auch wenn es die andere Seite will und man genau weiß, dass man ihn/sie damit glücklich macht. Doch ist es das wert, seinen freien Willen aufzugeben?

Tue niemanden aus Liebe einen Gefallen. Schon gar nicht, wenn du dir nicht zu hundert Prozent sicher bist, dass es ihm/ihr nur um Sex geht, dir aber nicht. Lass dich darauf ein, über Grenzen zu gehen, aber nur dann, wenn du dir vollkommen sicher bist, dass DU es willst. Denn: Du bist niemanden etwas schuldig. Sage nein, wenn du nein sagen willst. Sage ja, wenn du bereit dazu bist. Nehme es nicht hin, wenn dein Nein nicht akzeptiert wird, denn auch das musste ich schon einmal hautnah erleben. Sei dir so viel wert, dass du nach deinen Prinzipien handelst. DU entscheidest. Für dich! Wir leben in keiner Pornowelt, in welcher die Frau immer wollen und der Mann immer können muss.

 

Es ist dein freier Wille, den du um keinen Preis der Welt hergeben musst.

 

 

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Est. 2012

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