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Lisa Reiter

  /  Personal   /  Personal Stories & Texts   /  I see humans, but no humanity!

 

Ich bin wieder zurück aus Berlin. Und eigentlich, ja eigentlich wollte ich direkt loslegen. Beginnen mit den tollen Eindrücken, die ich in Berlin gewonnen habe. Ich wollte euch davon erzählen, wie inspirierend die Stadt für mich war. Und dass ich ein lernen musste, mit der Hektik der Berliner zurechtzukommen, uns aber immer weitergeholfen wurde, wenn wir nachgefragt haben. Ich wollte euch von dem Weihnachtszauber erzählen und von dem tollen Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz schwärmen. Und jetzt stellt sich mir die Gänsehaut auf, wenn ich daran denke. An Berlin, an den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz und an die Menschen.

Besonders jetzt, wo ich wieder zu Hause angekommen bin, realisiere ich erst wirklich, was passiert ist. Welche katastrophale Wende am Montagabend stattgefunden hat. Ich begreife, dass der pure Hass über den Breitscheidplatz gefegt ist und dass Menschen verletzt wurden oder gestorben sind. Und ich frage mich: Warum? Aber das Warum werde ich wohl -wie viele andere auch- nie verstehen.

 

I see humans, but no humanity

 

Ich wusste nicht so recht, ob ich diese Tragödie auf dem Blog erwähnen sollte. Ob ich einen Beitrag darüber schreiben sollte. Irgendwie war alles so surreal, so unbegreiflich, so schwer zu verstehen. Außerdem ist mein Blog nach wie vor ein Ort, um den Alltag zu entfliehen. Ein Ort für Inspiration, aber auch für persönliche Geschichten. Hass und Terror wollte ich hier nie einen Platz geben. Doch meine Gedanken überlaufen sich zu diesem Thema. Ich war nicht dabei, als der LKW in die Menschenmenge gerast ist, aber dennoch fühlt es sich so an, es hautnah erlebt zu haben. Noch am Vortag waren Alex und ich auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Er war der erste, den wir entdeckt haben. Der Erste, der mich in seinen magischen Bann gezogen hat. Noch am Sonntagabend herrschte ausgelassene Stimmung. Die Menschen trafen sich mit ihren Liebsten, tranken Glühwein und aßen Currywurst oder Langos. Und davon ist jetzt nichts mehr übrig.

12 Menschen haben ihr Leben verloren, 48 wurden verletzt, zum Teil schwer. Hass und Terror existierten für mich bis dato nur in den Medien. Selbst nach der schrecklichen Amokfahrt in Graz, was letztendlich kein Terroranschlag war. Doch auch danach existierten Hass und Terror für mich nur in den Medien. Weil ich es nie wahrhaben wollte, dass auch in meiner Nähe solche Dinge geschehen. Früher war alles so kilometerweit weg und plötzlich ist alles so nah. Es fühlt sich so lebensecht an und das beschäftigt mich.

 

Montagabend und der Tag danach…

Als wir davon erfahren haben, waren wir selbst gerade auf einem Weihnachtsmarkt. Zum Glück hatten wir uns zuvor für den Weihnachtsmarkt am Schloss Charlottenburg entschieden. Erst eine SMS verriet uns, dass in Berlin etwas ganz schlimmes passiert ist. Wir wussten jedoch noch nicht wo. Als wir zu unserer S-Bahn zurückfuhren, sahen wir mit unseren eigenen Augen, dass das Unglück genau an jenem Weihnachtsmarkt passiert ist, auf welchem wir am Vortag waren. Überall war Blaulicht und es herrschte die reinste Aufregung. Wir wollten nur so schnell wie möglich weg vom Ort des Geschehens. Im Hotel blieben wir lange wach, sahen uns ununterbrochen NTV an. Wir waren schockiert, dass so etwas passiert ist.

Am nächsten Tag wirkte die Stadt leer. Nicht leer im Sinne von keine Menschenseele ist mehr auf der Straße. Aber sie wirkte so leer. Man sah, dass es an niemanden spurlos vorbeigegangen ist. Alle Weihnachtsmärkte waren aus Solidarität geschlossen. Obwohl es gewohnt laut in der Stadt war, war es so still und ruhig. Berlin war plötzlich anders. Und wir waren es auch. Noch am Vortag machten wir uns Pläne, wollten den Checkpoint Charlie besuchen und uns die Siegessäule ansehen. Am Tag danach haben wir nichts mehr davon gemacht. Nicht mehr fotografiert oder gefilmt.

 

But there is humanity…

Ich sehe Menschen, aber keine Menschlichkeit. Ein Satz, den ich in diesem Jahr viel zu oft gelesen habe. Sollten wir so ein Bild von uns Menschen bekommen? Warum gibt es Menschen, die so inhuman sind? Die keinen einzigen Funken an Empathie übrig haben. Warum sind Menschen zu so etwas fähig?

Doch auf der anderen Seite -und das darf man nicht vergessen: Man hat am Tag danach die Solidarität gespürt. Man hat gelesen, dass diejenigen, die nicht verletzt wurden, den Verletzten geholfen haben. Es gibt Menschen, die sich täglich Gefahren aussetzen und einen Beruf gewählt haben, der anderen Menschen Sicherheit gibt. Jeden Tag setzen PolizistInnen und Feuerwehrleute ihr Leben aufs Spiel, um das der anderen zu schützen. ÄrztInnen und SanitäterInnen arbeiten an ihrem Limit, um das Leben von anderen zu retten. Zahlreiche Menschen spenden Blut, damit andere eines bekommen, wenn sie es dringend brauchen. Und das lässt mich den Glauben an die Menschheit nicht verlieren. An unserem letzten Tag in Berlin habe ich gemerkt, dass die Berliner Stärke beweisen. Dass sie sich nicht unterkriegen lassen. Sie lassen den Terror und all den Hass nicht gewinnen, denn Liebe ist stärker als Hass. 

 

„Ich möchte Berlin weiterhin mit Inspiration, Lebensfreude und Stärke verbinden.“

Ich habe auch lange darüber nachgedacht, ob ich meine geplanten Postings zu Berlin schreiben werde oder ob es total unangebracht wäre. Doch auch in der Hinsicht inspirieren mich die Berliner. Sie machen weiter, beweisen Stärke, lassen sich nicht unterkriegen. Würde ich euch die schönen Eindrücke von Berlin verwehren, die ich für mich persönlich gesammelt habe, würde ich mich ebenfalls unterdrücken lassen. Darum kommt alles online, was ich geplant habe: Eine Hotelreview, ein Reisebericht und der Vlog.

Ich weiß, dass dadurch die Erinnerungen wachgerüttelt werden. Ein bitterer Beigeschmack wird bleiben, doch ich kann den Hass nicht gewinnen lassen. Selbst wenn es sich nur um Blogbeiträge handelt. Allerdings möchte ich für mich die schönen Erinnerungen mitnehmen und diese verstärken. Natürlich kann ich das Negative nicht vergessen. Es wird immer präsent sein und das soll es auch, denn solche Ereignisse sollten nicht vergessen werden. Doch ich möchte Berlin nicht mein Leben lang mit einem Terroranschlag und Hass verbinden, sondern mit Inspiration, Lebensfreude und Stärke! Und all das möchte ich in den kommenden Beiträgen rüberbringen. All die Schönheit, ohne an das negative Ereignis zu erinnern oder es zu erwähnen (mit Ausnahme in dem Vlog).

 

 

 

Comments

  • 21. Dezember 2016

    ein sehr toller und nachdenklicher beitrag – du hast es glaube ich richtig auf den punkt gebracht – besonders wie es am nächsten tag in berlin war…
    echt schade was so in der welt passiert wie du schreibst – für mich ist alles auch noch immer kilometerweit entfernt…
    dein post gibt mir sehr zum nachdenken
    glg katy

    http://www.lakatyfox.com

  • 22. Dezember 2016

    Liebe Lisa! Ich bin so froh das du wieder Gesund nach Hause gekommen bist. Da ich doch einige Menschen in Berlin habe, war ich umso gestockter wie ich die Nachricht erhalten habe. Ich finde es toll das du darüber schreibst, wie es die dabei gegangen bist. Das zeigt Stärke und Mut. Und wie du auch schreibst wir sollen darüber auch schreiben und die gedanken die jeder Einzelne dazu hat in die Welt hinaustragen. Ich hoffe trotzallem das du ein paar schöne Eindrücke in Berlin gewinnen konntest und wir noch einiges darüebr lesen dürfen. Ich wünsche dir wunderschöne Weihnachten. Liebste Grüße Denise http://www.neumodisch.com

  • 22. Dezember 2016

    Es ist immer ganz seltsam wie abstrakt solche Tragödien bleiben, wenn man nicht selbst davon betroffen ist. Als vor ein paar Monaten der Amoklauf in München war, waren meine minderjährigen Cousinen wegen einem Konzert dort. Was wirklich schlimm war, denn über Stunden hatten sie keine Möglichkeit die Stadt zu verlassen und es wusste ja sowieso keiner was genau passiert ist und vor sich geht. Sofort bekommen solche Meldungen eine ganz andere Dimension für einen selbst…

  • 24. Dezember 2016

    Das hast Du toll geschrieben und ich danke Dir, dass Du deine Gedanken auf Deine, Blog teilst und so auch den Menschen gedenkst. Ich freue mich, dass es Dir gut geht. Es muss ein sehr merkwürdiges Gefühl gewesen sein, in der Stadt zu Gast zu sein, in welcher gerade ein terroristischer Anschlag verübt wurde.

    Ich danke Dir sehr für Deine mitfühlenden Worte auf meinem Blog!!! ♥

    Neri

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