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Lisa Reiter

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We found each other

Es war so, als hätten wir uns gesucht und gefunden. Wir waren unzertrennlich. Beste Freundinnen. Uns gab es nur im Doppelpack. Und dann auch wieder nicht. Denn du warst gut darin, mich zu ersetzen. Mich links liegen zu lassen, wenn ein anderes Mädchen cooler war als ich. Das hast du oft gemacht. Ziemlich oft sogar. Dann hast du mich ausgeschlossen. Aber ich? Ich sah in dir immer noch meine beste Freundin. Habe um dich gekämpft und dich immer erfolgreich zurückbekommen. Jedes Mal hat es mich traurig gemacht, wenn du wieder jemand besseren gefunden hast. Aber ich habe dir immer verziehen. Bis ich älter wurde und erkannte, dass du mich immer wieder aufs neue ersetzen würdest. Ich habe dir vertraut, aber irgendwann konnte ich es nicht mehr.

I helped you out of a broken place

Wir wurden nicht sofort Freundinnen. Vielleicht lag es daran, weil ich zuerst mit deiner ehemaligen besten Freundin befreundet war. Ihr konntet euch bis auf den Tod nicht mehr ausstehen. Ihr wart zerstritten wegen einem Typen. Er hat mit euch beiden nur gespielt. Gott sei Dank habt ihr das beide später erkannt. Deine ehemalige beste Freundin hat mich genauso enttäuscht, wie sie dich. Das schweißte uns zusammen. Wir wurden Freundinnen. Und irgendwann verbrachten wir jede freie Minute miteinander. Wir hatten Spaß. Wir waren lockere Teenager, kannten nicht immer unsere Grenzen, lebten uns aus, waren teilweise echt verantwortungslos und taten all dies gemeinsam.

In den Sommerferien nach der Matura gingen wir weiterhin viel gemeinsam weg. Wir tanzten uns durch die Nächte, wickelten Typen um den Finger und es fühlte sich so gut an, deine Freundin zu sein. Du warst beliebt bei den Männern. Zuerst stand ich in deinem Schatten, doch ich wurde fast so wie du. Dir immer ähnlicher. Und so schien es, als würden sie mich beachten. Wir waren laut, wild und wir kümmerte uns nicht darum, was andere über uns dachten.

Wir wurden uns immer ähnlicher. Aber es gab eine Sache, die uns voneinander unterschied. Ich lebte realistischer. Du in einer Traumblase. Ich habe dich oft aus der Scheiße gerettet. Viel zu oft. Vor Problemen bist du weggerannt. Für dich gab es nur die schönen Seiten des Leben. Und wenn die Dinge mal nicht so viel Spaß machten, hast du sie von dir weggeschoben. Und du hast mich weggeschoben, als ich dich wirklich gebraucht habe. Du hast mich in der schwersten Zeit meines Lebens einfach im Stich gelassen. Aber ich hätte es besser wissen müssen. Denn du warst schon immer so. 

 

You gave me comfort

Ich bin dir nie wirklich aufgefallen. Du warst einer von den Jungs, den alle Mädchen hinterherrannten. Ein Bad Boy. Und du warst dir dessen bewusst, dass du alle haben konntest. Du bist mir schon aufgefallen, aber ich hatte nie Interesse an dir. Oder ich war mir dessen bewusst, dass ich dich nie haben könnte. Wahrscheinlich wusste ich genau, dass ich nicht die Art von Mädchen war, die in dein Beuteschema passte. Ich war nicht sonderlich schlank, meine Haare waren nach meinem Frisörunfall kaputt. Für dich war ich bestimmt nicht genug. Und dann… als die Jahre vergingen und ich mich veränderte.
Mich entwickelte.
Ein anderer Mensch wurde.
Plötzlich in dein Beuteschema passte…

Da hast du mich beachtet. Ich habe dich zappeln lassen. War nicht wirklich an dir interessiert. Ich hatte zu den Zeitpunkt jemand anderes im Visier. Und dann – eines Abends. Vielleicht war das eine Glas Passoa Orange zu viel des Guten. Ich war leicht angeheitert. Aber du hast mich fasziniert. Ich gab nach. Du hast mich geküsst. Inmitten einer Menschenmenge. Und es passierte mehr. Für mich war es etwas einmaliges. Doch wenige Monate später hast du dich wieder gemeldet. Es wurde intensiver. So intensiv, dass ich dir blind vertraute. Du warst mein Zufluchtsort. Ich habe mich so beschützt gefühlt. Aber das war deine Masche. Und du hast es geschafft. Ich verliebte mich in dich. Aber du? Du hast es nur ausgenutzt. Und als ich das begriff, war es schon zu spät, um wieder unbeschadet aus dieser Sache herauszukommen. Aber ich habe es geschafft. Ich habe dich irgendwann vergessen. Zumindest habe ich es irgendwie geschafft, mich von dir zu befreien, sodass ich dann auch ohne dich gut klar kam und wieder glücklich wurde.

Trust Issues black and white photography
Trust Issues Girl Black and White

But fallin' for you was my mistake

Erstes Date. Wir kannten uns noch nicht gut. Haben ein paar Worte gewechselt. Ich wusste nicht viel von dir. Und du nicht viel von mir. Aber wir verstanden uns gut. Wir waren uns irgendwie sympathisch. „Lass uns doch auf einen Kaffee gehen.“ Es war kurz vor Mitternacht, als du diese Zeilen in dein Smartphone getippt hast. „Klar, wann?“, schrieb ich zurück. Ich verschwendete keinen Gedanken daran, wie es mir kurz vor dem Treffen gehen wird. Dass ich Angst bekommen würde. In ein Gedankenchaos versinken würde. „Morgen?“ Ich überlegte. Überlegte kurz, ob ich etwas geplant hatte. Eigentlich hatte ich Zeit. Kurz Kinderdienst, aber der Rest des Abends gehörte mir. „Oder ist dir das zu spontan?“, fragtest du, während ich immer noch überlegte. „Nein“, schrieb ich zurück. „Morgen, 17 Uhr?“, fügte ich als Frage hinzu. „Perfekt“, kam es von dir gleich zurück. Also, morgen 17 Uhr.

Wir schrieben auch am Tag des Dates ununterbrochen. Ich war nervös. Irgendwie aufgeregt. Die Zeit verging. 14 Uhr. 15 Uhr. 16 Uhr. Ich wurde immer unsicherer. Unsicher, ob ich mich überhaupt mit dir treffen sollte. Ich hatte Angst. Aber so kurz vor einem Date konnte ich nicht mehr absagen. Ich konnte nicht unhöflich sein. Also ging ich hin. Wie ich es irgendwie vor jedem Date tue, plante ich, nach einer Stunde zu gehen. Aber eine Stunde musste ich aushalten. Aus Solidarität. Oder Höflichkeit. Oder wie auch immer. Aber es wurde mehr, als nur eine Stunde. Mehr als zwei. Mehr als drei. Wir verquatschten uns im Café, bestellten mehr als nur einen Drink und ich ließ es sogar zu, dass du mich nach Hause bringst. Es war ein gutes Date. Ich mochte dich, auch wenn mein erster Gedanke war, als ich dich sah: „Gut, du bist echt nicht mein Typ.“ Aber dann lernte ich dich kennen und ich schüttelte all das Oberflächliche von mir ab. 

Irgendwann passierte mehr. Wir hatten eine schöne Zeit. Du warst meist nahbar, aber manchmal dann doch nicht mehr. Manchmal warst du richtig kühl. Ich ertappte mich oft dabei, wie ich zu meinen Freunden sagte: „Ich will nicht, dass es endet.“ Ich hatte Angst, dass es endet. Darum sagte ich nichts. Ließ mir alles gefallen. Manchmal dachte ich auch, es wäre nicht nötig, etwas zu sagen. Weil sich dann alles wieder zum Schönen gewandelt hat und du wieder so nahbar warst. Mir ein gutes Gefühl gegeben hast. Zumindest bewahrtest du den Schein, dass ich dir nicht egal bin. Ob das echt war oder nur Show? Ich kann es nicht beantworten. Zumindest hast du es auch nicht geschafft, mir zu sagen, was du wirklich willst. Du hast es per WhatsApp getan, mir aber nie dabei in die Augen gesehen. Erst später habe ich gemerkt, wie feige und schwach das war. Das habe ich nicht verdient! Und letztendlich? Letztendlich hat es doch geendet. Ohne ein Abschiedswort. 

I put you on top

Wir trafen uns im ersten Semester. Du sagtest, ich sei dir sofort aufgefallen. Wir kamen ins Gespräch. Es dauerte nicht lange und wir wurden zu Freundinnen. Wir kämpften uns durch Vorlesungen, jammerten über Elementare Logik und hingen am Campus ab. Durch dich wurde das Studium erst schön.

Wir lernten auch andere Komilitoninnen kennen. Wir formierten uns zu einer Gruppe, doch du warst immer die Nummer 1. Ich habe dir vertraut. Sah so viel Gutes in dir. Du schienst eine Stütze zu sein. Hast mich sogar unterstützt, als es mir wegen meiner Krankheit nicht gut ging. Ich hatte das Gefühl, ich könnte dir alles anvertrauen. Hatte das Gefühl, dass du mich verstehen würdest. Doch hinterrücks hast du Intrigen gesponnen.

Du warst eifersüchtig. Eifersüchtig auf eine andere Komilitonin und mich. Du wolltest bei jedem die Nummer 1 sein. Nicht nur bei mir. Und du hast uns gegeneinander ausgespielt. Dadurch sind Freundschaften zerbrochen.

Aber mit der Zeit wurden wir schlauer. Wir erkannten, dass du nur so unschuldig getan hast. Dass du wie ein Wolf im Schafspelz warst. Ich bin froh, dass ich erkannt habe, wer damals die ehrlichen Menschen waren und wer nicht. Und du warst nicht von dieser Sorte. Aber trotzdem hat es mich enttäuscht, was du hinter unserem Rücken gemacht hast. Es hat mich enttäuscht und mich nachhaltig misstrauisch gegenüber anderen Menschen gemacht.

Trust Issues Black and White
Black and white Photography Trust Issues

I claimed you so proud and openly

Ich habe dich zuvor noch nie gesehen, als du mich auf Facebook geaddet hast. Normalerweise nehme ich nie jemanden an, den ich nicht kenne. Aber ich sah mir dein Profil an. Dein Lächeln hat mich irgendwie sofort in einen Bann gezogen. Ich fand dich sympathisch. So sympathisch, sodass ich dir sogar schrieb, nachdem ich die Freundschaftsanfrage bestätigt hatte. „Kennen wir uns?“, schrieb ich frech. Du hast sofort geantwortet. „Nein, aber das können wir ja noch ändern.“ Das fand ich süß. Ich war 20 und naiv.

Eine richtige Beziehung hatte ich zuvor noch nicht so wirklich. Nur lockere Geschichten. Und eine Enttäuschung. Ich war schon etwas vorsichtiger, aber ich fand dich wirklich süß. Du hast nach einem Date gefragt und ich habe „Ja“ gesagt. Doch je näher es kam, desto unsicherer wurde ich. Ich hatte Bindungsängste. Oder leichte Trust Issues.

Ich ging mit dem Vorhaben zu diesem Date, nach einer Stunde wieder zu gehen. Aber dann hast du mich angelächelt. Und mir gezeigt, was hinter deiner schönen Fassade steckte. Ich fand dich anziehend und hatte ernsthaftes Interesse an dir. Was ich jedoch noch hatte: ein Geheimnis.

Ich war krank, als wir uns das erste Mal begegneten. Und ich versuchte es am Anfang zu vertuschen. Ich mochte dich wirklich. Aber es fiel mir nicht leicht, mich immer bei dir zu melden. Die Magersucht zog mich manchmal in ein dunkles Loch. In Depressionen. Du dachtest, ich würde mit dir spielen, also gestand ich dir die Wahrheit. Ich dachte, du würdest gehen. Du würdest das nicht mitmachen wollen. Aber du bist geblieben und wir waren zusammen. Du bist geblieben, nur um später doch zu gehen und mich alleine zu lassen. Was habe ich nur geglaubt? Warum habe ich dir geglaubt. Du hast gesagt: „Wir stehen das gemeinsam durch.“ Letztendlich musste ich es ohne dich durchstehen.

But when times where rough

Ich weiß nicht, was ich getan habe, aber du hattest schon von Anfang an etwas gegen mich. Du hast mich nicht gekannt und vielleicht war es auch ein bisschen deine kindliche Naivität. Dein kindlicher Leichtsinn. An der Tatsache, dass du ein kleiner Junge warst. Oder an der Tatsache, dass Kinder nicht über den Tellerrand hinausdenken. Es schien dir Spaß zu machen, mich zu ärgern. Das ist auch irgendwie normal. Jungs ärgern Mädchen. Und umgekehrt. Aber du hast über das Ziel hinausgeschossen. Du hast mir Schneebälle mit Eisklumpen ins Gesicht geschossen. Du hast mir ins Gesicht gerotzt. Und dabei hast du gelacht. Laut gelacht. Alle anderen haben mitgemacht, weil du sie dazu animiert hast. Du hast dich über mich lustig gemacht. Meine schwächere Position ausgenutzt. Und irgendwann bist du mir im Fahrradkeller unserer Schule aufgelauert, hast mich fest gegen die Wand gedrückt und mir gedroht. Aus welchen Gründen auch immer, aber du wolltest mich fertig machen. Dabei waren wir beide damals erst 12 und 13 Jahre alt. 

Ich hatte Angst vor dir. Hatte Angst, dass du mich hauen würdest. Ich war dir deutlich unterlegen. Alterstechnisch. Körperlich. Nie im Leben hätte ich mich gegen dich wehren können. Ich habe dir nie etwas getan, aber du mochtest mich einfach nicht. Das wäre noch okay, wärst du nicht zu weit gegangen. Du hast mich nicht geschlagen. Du hast mir nur gedroht und mich dann wuchtig an die Seite geschubst, sodass ich hingefallen bin. Das hat gereicht, um meine Trust Issues nachhaltig aufzubauen. Und auch Jahre später habe ich es nicht vergessen. Ich habe deinen Blick nicht vergessen. Das hasserfüllte Glitzern in deinen Augen. Deine zuckende Oberlippe. Du warst im Angriffsmodus und ich hatte Angst. Wirklich Angst. Und auch heute noch habe ich Angst, dass ich Gewalt jemals wieder am eigenen Körper spüren muss. 

 

Trust Issues Black and White Portrait

I made sure I held you close to me

Mit diesem Blogpost habe ich vieles aus meiner Vergangenheit aufgearbeitet. All diese Erfahrungen haben mich geprägt. Geprägt und mich verändert. Verändert insofern, dass es mir heute schwer fällt, Menschen zu vertrauen. Wir alle gehen durch schwere Zeiten. Und wir alle begegnen im Laufe unseres Lebens Menschen, die toxisch für uns sind. Von denen wir loslassen müssen. Denen wir viel Vertrauen geschenkt haben und letztendlich doch nur enttäuscht worden sind. Und dabei kommt es gar nicht auf die Frequenz der Enttäuschungen an. Enttäuschungen tun weh. Vertrauen ist ein hohes Gut und nicht jedem von uns gelingt es, nach zwischenmenschlichen Enttäuschungen einen Cut darunter zu setzen. So leider auch mir. Ich bin zu emotional veranlagt und manchmal, ja manchmal, da distanziere ich mich davor, diese Geschichten aufzuarbeiten. Doch das führt nur dazu, dass es weiterhin an mir nagt. Ob es ein Fehler war, mich nie wirklich mit diesen Erlebnissen auseinanderzusetzen? Alles in mich hineinzufressen oder doch weiterhin zu hoffen, dass alles gut wird? Vielleicht. Aber es ist nie zu spät, mit der Vergangenheit abzuschließen. Es ist nie zu spät, sich noch einmal bewusst damit auseinanderzusetzen, auch wenn es schon lange her ist und nicht jeder verstehen kann, dass man nach so einer Ewigkeit immer noch daran denkt. Ich habe immer versucht, all diese Erfahrungen von mir abzuschütteln. Ich kann über Dinge sprechen, auch über Probleme, die mich selbst betreffen. Aber kaum sind andere Menschen involviert, die mir wehgetan haben, verschließe ich mich lieber. 

Danke, falls ihr bis hierhin gelesen habt. Ich habe dieses virtuelle Papier gebraucht, um zumindest den Prozess des Abschließens einzuleiten. Manche dieser Geschichten sind sogar mehr als 10 Jahre her. Sie beeinflussen mich immer noch. Aber ich habe beschlossen, dass ich nicht mehr möchte, dass sie mich beeinflussen. Inwieweit ich das selbst steuern kann, weiß ich nicht. Aber es war Zeit, diesen Erlebnissen ins Auge zu blicken und zu reflektieren. Das habe ich hiermit getan. Ich bin keinem mehr böse, aber trotzdem wünschte ich mir, dass ich diese Menschen anders in Erinnerung hätte. 

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